Energetische Psychologie

Was ist energetische Psychologie?

Energetische Psychologie oder energetische Psychotherapie ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von psychosensorischen Techniken, die sich seit den 90er Jahren entwickelt haben. Die energetische Psychologie verbindet Prinzipien aus der westlichen und östlichen Medizin. Sie basiert auf traditionellen Psychotherapiemethoden wie Hypnotherapie, Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie oder NLP (Neurolinguistisches Programmieren), bezieht aber auch den Körper mit ein: durch Klopfen, auch Tapping genannt, Augenbewegungen, Summen, Streichen über Arme und Hände und andere „multisensorische Interventionstechniken“.

Aus Sicht der energetischen Psychologie ist der Mensch vor allem ein energetisches Wesen. Negative Emotionen sind mit einer Störung im körpereigenen Energiesystem verbunden.

 

Was gehört zur energetischen Psychologie?

Zu den Methoden aus dem Umfeld der energetischen Psychologie gehören

TFT (Thought Field Therapy) von Roger Callahan;

EFT (Emotional Freedom Techniques) von Gary Craig;

N.A.E.M. (Negative Affect Erasing Method) und EdxTM (Energy Diagnostic and Treatment Methods) von Fred Gallo;

BSFF (Be Set Free Fast) von Larry Nims,

SET (Simple Energy Techniques) und PET (Provocative Energy Techniques) von Steve Wells und David Lake;

Intention Tapping von Steve Wells;

TAT (Tapas Acupressure Technique) von Tapas Fleming,

Quick REMAP von Steve Reed,

PEP (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie) von Michael Bohne,

Havening von Ronald und Steve Ruden,

TRE (Tension and Trauma Releasing Exercises) von David Berceli
u. a.

 

Das gemeinsame Prinzip besteht darin, mittels psychosensorischer Stimulation harmonisierend auf den Körper einzuwirken und sich mental und emotional auf ein Problem oder ein Trauma einzustimmen mit der Intention, eine Veränderung herbeizuführen.

 

Woher stammt die energetische Psychologie?

Die Vorstellung, dass der Körper ein Energiesystem sei, war in China bereits vor etwa 5000 Jahren verbreitet. Die Lebensenergie, auch „Chi“ genannt, fließt nach Ansicht der traditionellen chinesischen Medizin in bestimmten unsichtbaren Bahnen, den Meridianen, welche die einzelnen Organe passieren. Krankheit gilt als Ausdruck von Störungen in diesem Energiesystem. Durch verschiedene Methoden kann der Energiefluss im Körper harmonisiert und Gesundheit wiederhergestellt werden. Dazu gehören die Akupressur und Akupunktur, aber auch Yoga, Qi-Gong und andere.

In den 60er Jahren entwickelte der amerikanische Chiropraktiker George Goodheart einen neuen therapeutischen Ansatz, bei dem er Muskeltests und Akupunkturpunkte verwendete. Der australische Psychiater John Diamond lernte diese „Applied Kinesiology“ in den 70er Jahren und begann damit, sie in die Psychotherapie zu integrieren. Er verwendete Affirmationen und das Klopfen der Thymusdrüse, um die Lebensenergie zu stärken, und er ordnete den Meridianen bestimmte Emotionen zu.

 

Bitte klopfen – Wie wurde die Klopfakupressur populär?

1980 fand in der Praxis des amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Roger Callahan durch Zufall eine wahre Wunderheilung statt. Die vielfach zitierte Anekdote markiert so etwas wie die Geburtsstunde der energetischen Psychologie.

Callahan hatte eine Patientin, die an einer extremen Wasserphobie litt und den Anblick von Wasser nicht ertragen konnte. „Mary“ hatte viele Jahre erfolgloser Therapie hinter sich. Auch Callahan hatte sie bereits 18 Monate mit Verhaltenstherapie und Desensibilisierung behandelt, ohne dass Fortschritte zu erkennen waren. An jenem Tag klagte sie über ein schreckliches Gefühl im Magen, das sie immer dann verspüre, wenn sie an Wasser denke. Callahan hatte sich gerade in Applied Kinesiology und Akupunktur fortgebildet. Darum bat er sie spontan, auf einen Punkt unterhalb des Auges zu klopfen, der dem Magenmeridian zugeordnet wird. Mary tat wie verlangt. Einen Augenblick später rief sie aufgeregt: „Es ist weg!“ und lief in den Garten zum Swimmingpool, wo sie sich Wasser ins Gesicht spritzte. Zur großen Verblüffung Callahans war die Phobie mit einem Mal vollständig verschwunden. Jahre später bestätigte Mary in einem Interview, dass sie seit diesem Moment frei von dieser Angst geblieben sei.

 

In fünf Minuten angstfrei? Callahan und der Paradigmenwechsel

Nach dem eindrucksvollen Erlebnis mit Mary fing Callahan an zu experimentieren. Er stimulierte verschiedene Akupunkturpunkte. Mit Muskeltests, wie sie in der Kinesiologie verwendet werden, versuchte er herauszufinden, welche Meridiane Dysbalancen aufwiesen. Manche Menschen verloren ihre Ängste durch das Klopfen genauso schnell wie Mary; andere nicht. Callahan entdeckte, dass manche Patienten offenbar eine Art energetischer Fehlschaltung aufwiesen, die Veränderungen blockierte. Um diese „psychologische Umkehr“ zu korrigieren, hieß er sie bestimmte Punkte klopfen oder reiben. Mit der Zeit entwickelte er spezifische Klopfsequenzen für unterschiedliche psychische Störungen. Callahan nannte seine Methode „Thought Field Therapy“ (TFT).

Dass psychische Störungen durch Ausbalancieren des Energiesystems in kurzer Zeit, manchmal sogar in Minutenschnelle zu heilen waren, wie Callahan behauptete, stellte einen Paradigmenwechsel in der Psychotherapie dar. Bis dahin galt, Probleme müssten aufgedeckt, emotional durchgearbeitet und kognitiv neu strukturiert werden. Von seinen Kollegen wurden Callahan und seine „Fünf-Minuten-Phobien-Therapie“ darum scharf kritisiert. Eine Zeitlang verbot der amerikanische Psychologenverband gar seinen Mitgliedern, die neue Methode anzuwenden – zu unglaubhaft erschien das Verfahren. Dennoch  – und trotz hoher Kosten – wollten viele die neue Wundermethode lernen. Callahan bildete zahlreiche Psychotherapeuten fort, die seine Methode in ihr Repertoire integrierten und die recht komplizierte Vorgehensweise mit der Zeit abwandelten. Zu den ersten gehörten die Psychologen Patricia Carrington, Fred Gallo, Larry Nims u. a.

Am bekanntesten wurde Gary Craig, ein Ingenieur und Coach mit NLP-Ausbildung. Er vereinfachte Callahans Technik zu einer relativ leicht zu erlernenden Form der Klopfakupressur, die er EFT (Emotional Freedom Techniques) nannte, weil sie „emotionale Freiheit“ von Sorgen und Problemen ermögliche. Craig setzte sich zum Ziel, seine einfache Form der Klopfakupressur möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Von 1995 an stellte er auf seiner Website eine Fülle von Informationen über EFT zur Verfügung. Zudem produzierte er Lehrvideos und vertrieb sie zu günstigen Konditionen. Dadurch verbreitete sich EFT in der ganzen Welt. Craigs kostenloses EFT-Handbuch wurde von Freiwilligen in neun Sprachen übersetzt und millionenfach heruntergeladen.

 

Mittlerweile werden EFT-Varianten unter verschiedenen Bezeichnungen angeboten, wie: energetisches Klopfen, Meridianklopfen, Meridian-Balancing, Energiefeld-Therapie, Meridian Tapping Techniques und andere. In Deutschland wurde der Psychologe Rainer Franke mit Fernsehauftritten bekannt. Er bezeichnet seine Version des Klopfens als MET (Meridian-Energie-Technik). Der Psychiater Michael Bohne nimmt für sich in Anspruch, das Klopfen entmystifiziert zu haben. Seine PEP (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie) machte das Klopfen unter Ärzten bekannt.

 

Wie läuft das Tapping ab?

Bei einer vollständigen EFT-Klopfsequenz werden 14 Akupunkturpunkte im Gesicht, auf dem Oberkörper und auf den Händen jeweils etwa siebenmal leicht mit den Fingerspitzen beklopft, während man auf das zu behandelnde Problem eingestimmt ist. Dazwischen erfolgen Augenbewegungen, Summen und Zählen, um die beiden Hirnhälften zu stimulieren.

Eine vollständige Runde dauert etwa zwei bis drei Minuten.  Meist muss die Klopfsequenz mehrfach mit leicht verändertem Fokus wiederholt werden, um verschiedene Aspekte des Problems zu erfassen.

Die vollständige Sequenz wird nur noch selten angewandt; viele Therapeuten aus der Energetischen Psychologie sind zu verkürzten Verfahren übergegangen und setzen verstärkt auf Intention und Schulung des Unterbewusstseins.

 

 

Hilft es auch? Zu den Wirkungen  der Klopfakupressur

Im Internet waren schon bald Tausende von Erfahrungsberichten aus der ganzen Welt zu lesen, sowohl von begeisterten Laien, die EFT als Selbsthilfemethode nutzten, wie von professionellen Therapeuten und Ärzten, die ihre Behandlungserfolge mithilfe des Klopfens erheblich steigern konnten.

Mittlerweile liegen auch wissenschaftliche Studien mit eindrucksvollen Ergebnissen vor, wie eine von der American Psychological Association veröffentlichte Meta-Analyse aufzeigt. Hilfsorganisationen haben sehr gute Erfahrungen bei der Behandlung traumatisierter Opfer in Krisengebieten gemacht.

Worauf die Wirkung beruht und ob sie wirklich mit der Aufhebung von „Energieblockaden“ zu tun hat, ist ungeklärt. Neben der Ursprungshypothese werden andere Erklärungsmodelle herangezogen, etwa bifokale Achtsamkeit und der Einsatz multisensorischer Interventionstechniken und die Polyvagal-Theorie von Stephen Porges.

 

Gibt es Nebenwirkungen?

Gelegentlich kommt es während der Behandlung zu einer vorübergehenden Verstärkung oder auch zu einer Veränderung der Symptome. So kann ein Kopfschmerz zum Beispiel während des Klopfens stärker werden oder von der Stirn in den Hinterkopf wandern, bevor er verschwindet.

Psychische Erkrankungen und schwere Traumata sollten nur von Fachleuten behandelt werden, da es zu Abreaktionen kommen kann.

 

Versuch macht klug – Wofür  taugt die Klopfakupressur?

Es gibt so gut wie nichts, das nicht geklopft werden kann: von Allergien bis Zahnweh, von Flugangst, Spinnenphobie oder Lernstörungen bis zu Beschwerden durch chronische Krankheiten. Patienten können damit Selbstheilungsprozesse unterstützen.  Viele Sportler verwenden es zur Leistungsverbesserung. Die Schwimmerin Britta Steffen klopfte sich zu ihren Olympiasiegen.

Besonders bewährt hat sich EFT bei Phobien und Ängsten und auch PTSD.

„Try it on everything“, empfahl Gary Craig: Solange man den gesunden Menschenverstand walten lasse und im Zweifel stets auch ärztliche Hilfe suche, möge man es einfach bei jedem Problem versuchen. Ein Versuch könne nicht schaden und koste nur wenige Minuten Zeit.